Achtung, Spoiler

"Killing Eve": Darum ist das Serien-Finale eine Frechheit

Veröffentlicht:

von Anna Tiefenbacher
Sandra Oh und Jodie Comer in Killing Eve

(v.l.n.r) Jodie Comer  und Sandrah Oh

Bild: picture alliance / Everett Collection | ©BBC America/Courtesy Everett Collection


"Killing Eve" gehört zu meinen allerliebsten Lieblingsserien. Ich feiere sie so sehr, dass ich ihr das unwürdige Ende fast verzeihen könnte. Aber auch nur fast.


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Vielschichtige (und fast ausschließlich weibliche!) Hauptcharaktere. Großartige Drehorte. Abgefahrene Outfits. Eine Handlung, die über vier Staffeln die Spannung aufrechterhält (okay, in der letzten lässt sie minimal nach). Und, natürlich, die unvergleichliche Chemie zwischen den Protagonistinnen Eve (Sandra Oh) und Villanelle (Jodie Comer). Die Besetzung ist ein Geniestreich (dabei sollte ursprünglich diese Schauspielerin Eve spielen!).

All diese Faktoren sorgen dafür, dass sich "Killing Eve" von anderen Serien abhebt, in denen es "nur" um eine komplizierte Love Story oder "nur" um die Jagd auf eine Killerin geht.

Das passiert in der finalen Folge von "Killing Eve"

Villanelle und Eve treffen sich mit Carolyn (Fiona Shaw) und Pam (Anjana Vasan) in der Londoner MI6-Stammkneipe. Eve erklärt, dass sie die "Twelve" bei einem geheimen Treffen ausschalten will – was ihr mit Hilfe von Villanelle auch gelingt. Carolyn hat jedoch den Mord an Villanelle in Auftrag gegeben, um sich ihren Weg zurück zum MI6 zu sichern.

In den letzten Minuten der Serie, auf einem Schiff auf der Themse, wird Villanelle unerwartet von einem Scharfschützen erschossen. Eve und Villanelle landen im Wasser. Während Villanelle in einer Wolke aus Blut untergeht, taucht Eve aus dem Wasser auf und stößt einen markerschütternden Schrei aus, während die Worte The End auf dem Bildschirm erscheinen.

Wirklich? Das war's? Nachdem ich so viele Folgen lang mitgefiebert habe, empfinde ich das Ende als Frechheit. Villanelle hat ja wohl nicht so viele Kämpfe überlebt, um derart unwürdig aus dem Hinterhalt erschossen zu werden? An einem grauen Tag auf der Themse? Ausgerechnet in dem Moment, in dem sie endlich glücklich ist? Mit meiner Enttäuschung bin ich nicht allein: Laut IMDb-Ranking ist die letzte Folge von "Killing Eve" mit einer 3,4 von 10 unter den Top Five der unbeliebtesten Serienfinale. Für ähnliche Empörung haben unter anderem die finalen Folgen von "Dexter" und "Game of Thrones" gesorgt, aber lasst uns lieber nicht wieder damit anfangen …

Die "Bury Your Gays" Trope

Nachdem die Serie zurecht dafür gefeiert wurde, kein Queerbaiting zu betreiben (gleichgeschlechtliche Romanzen oder andere LGBTQ+-Bezugnahmen andeuten, aber nicht darstellen) und völlig ohne Klischees auszukommen, ist es umso enttäuschender, dass sie am Ende die "Bury Your Gays" Trope bedient: Deren zentrales Element besteht darin, dass die queere Figur nach einem Moment des Glücks eine Tragödie erleidet. So auch hier: Nach Jahren des Andeutens einer Beziehung zwischen Eve und Villanelle gibt es endlich einen echten, längeren, intensiven Kuss. Für etwa 20 Minuten sind Eve und Villanelle als Paar (und wir als Zuschauende) glücklich.

Der jähe Tod Villanelles fühlt sich umso unnötiger und vor allem unnötig grausam an. Solche Storylines sind problematisch, da sie implizieren, dass LGBTQ+-Charaktere unausweichlich ein tragisches Schicksal erwartet. Weitere Beispiele für die "Bury Your Gays" Trope:

  • Tara in "Buffy"

  • Oberyn Martell in "Game of Thrones"

  • Poussey in "Orange is the new Black"

  • Lexa in "The 100"

Das Buch endet anders – aber besser?

Im Roman "Codename Villanelle" endet die Geschichte tatsächlich ganz anders als in der Serie. Autor Luke Jennings kritisierte das Finale in einem Interview mit dem "Guardian":

"Das Ende der vierten Staffel war ein Einknicken vor Konventionen – eine Bestrafung von Villanelle und Eve für das blutige, erotisch getriebene Chaos, das sie angerichtet haben. Eine wirklich subversive Handlung hätte das Klischee herausgefordert, das gleichgeschlechtlichen Liebespaaren in TV-Dramen nur die flüchtigsten Beziehungen erlaubt, bevor einer von ihnen stirbt (Lexas Tod in "The 100", unmittelbar nachdem sie zum ersten Mal mit ihrer weiblichen Partnerin geschlafen hat, ist ein weiteres Beispiel). Wie viel düsterer, befriedigender – und dem ursprünglichen Geist von "Killing Eve" treuer – wäre es gewesen, wenn das Paar gemeinsam in den Sonnenuntergang gegangen wäre?"

In Jennings Version leben Eve und Villanelle tatsächlich zusammen happily ever after, ganz bürgerlich-banal in einem Vorort von St. Petersburg. Hätte dieses Ende uns Fans eher zufriedengestellt? Ich weiß es nicht, die Chemie zwischen den beiden basiert doch auf ihrem Katz-und-Maus-Spiel, ihrer beider Unfähigkeit, ein angepasstes Leben zu führen. Schöner als der Tod von Villanelle ist diese Vorstellung jedoch allemal.

Ich hätte mir ein offenes Ende gewünscht. Das eine Zukunft für die beiden Frauen andeutet, aber nicht klar definiert. Ich finde nicht, dass Geschichten immer einen Punkt am Ende brauchen. Manchmal sind Auslassungspunkte die elegantere Lösung …