Fährunglück

Das größte Schiffsunglück der Nachkriegszeit: Was passierte mit der Estonia?

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von Linda Tarasenko
Der Untergang der Estonia hat nicht nur viele Menschen mit in den Tod gerissen, sondern führt noch heute zu vielen Fragen: War es das defekte Bugvisier?

Der Untergang der Estonia hat nicht nur viele Menschen in den Tod gerissen, sondern führt noch heute zu vielen Fragen: War es wirklich das defekte Bugvisier?

Bild: picture-alliance / dpa | Bjorn_Larsson_Ask | picture alliance / ASSOCIATED PRESS | JAAKKO AVIKAINEN


Es ist der 28. September 1994: Die Menschen an Board der Estonia werden aus dem Schlaf gerissen, für viele sind die letzten Minuten gezählt. Das schlimmste Schiffsunglück nach dem Zweiten Weltkrieg wirft viele Fragen auf. Wurde die eigentliche Ursache vertuscht?

Das sind die Fakten über das Schiffsunglück der Estonia

Bei einem starken Sturm im weiten Meer sinkt die estnische Fähre Estonia und reißt 852 Menschen in den Tod. Viele Passagiere wurden in der Nacht überrascht, nur 137 haben überlebt. Die Fähre war auf dem Weg nach Stockholm. Vor der Südküste Finnlands ist die Reise abgebrochen. Bis heute kämpfen die hinterbliebenen Menschen und die Überlebenden mit den Folgen.

Die Frage, was an diesem Tag passiert ist, bringt Rätsel mit sich - und damit auch viele Verschwörungstheorien. Vor allem die schwedischen Behörden werden mit vielen Anschuldigungen konfrontiert: Sie sollen die Ursachen nie im Detail geklärt oder sogar bewusst verschleiert haben.

Die Behauptungen kommen dabei nicht aus heiterem Himmel: Es kam zu vielen mysteriösen Entscheidungen und komischen Zufällen, die zu dem großen Misstrauen führten.


Hier kannst du mehr über das Schiffsunglück aus 1994 erfahren


Abgeschottet von der Menschheit: Nachvollziehbarer Grund oder steckt mehr dahinter?

Seit 1995 heißt es: Betreten verboten! Rund um das Wrack der Estonia wurde eine Schutzzone errichtet, in der sich keine:r aufhalten darf. Wer dieses Verbot nicht beachtet, wird strafrechtlich verfolgt. Steckt mehr hinter dem Schiffsunglück, als es den Anschein hat?

Nachdem internationale Taucher wochenlang in den Tiefen des Meeres an dem Wrack geforscht haben, entschied die schwedische Regierung, die Estonia zu versiegeln. Der Plan war folgender: Es sollte ein tonnenschwerer Sarg aus Beton angefertigt werden, der das Schiff ein für alle Mal unter sich begräbt. Das Unterfangen hätte ungefähr 33 Millionen Euro gekostet - eine teure Angelegenheit, gegen die viele Bürger:innen Protest einlegten.

Begründet wurde der überdimensionale Metallsarg durch die Wahrung der Totenruhe.

Bombe ode Mafia? Das sind die Verschwörungstheorien

Die Gerüchteküche hat gebrodelt. Es wurden Vermutungen angestellt, dass eine Bombe an Board explodiert ist und das Bugvisier weggesprengt hat. Ein Leck unterhalb der Wasserlinie soll dann schlussendlich das schnelle Sinken des Schiffes erklären. Dabei wird der Untergang mit der Tragödie der RoRo-Fähre "Jan Heweliusz" verglichen, die denselben Bau wie die Ostseefähre hatte und ein Jahr vorher bei Rügen unterging. Das Schiff bekam auf offener See Schlagseite und kenterte, trieb aber noch einige Stunden an der Meeresoberfläche. Die Estonia wiederum nicht - ein mögliches Indiz, dass mehr hinter dem Unglück stecken könnte.

Einige Leute spekulierten, dass der russische Geheimdienst illegales Militärmaterial schmuggeln wollte. Um es zu vertuschen, wurde womöglich eine Bombe auf dem Schiff platziert. Tatsächlich bestätigte 2004 die estnische Regierung, dass die Estonia vor ihrem Untergang für den Transport von militärischen Gütern genutzt wurde. Ob der russische Geheimdienst mit involviert war und bewusst das Schiff zum Sinken gebracht hat, bleibt weiterhin offen.

Andere gehen einen Schritt weiter und vermuten, dass die Mafia das Schiff gesprengt hat. Kriminelle osteuropäische Organisationen sollen das Schiffsfahrtunternehmen "Reederei Estline" erpresst und Schutzgelder gefordert haben. Diese weigerte sich jedoch, die Summen zu zahlen, weshalb die kriminelle Organisation als Antwort die Estonia versenkt haben soll. Dafür sprechen würde, dass laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", die damaligen Eigentümer:innen der Ostseefähre mehrere Male Bombendrohungen erhalten haben.

Eine weitere Theorie: Das Schiff ist mit einem geheimen U-Boot kollidiert. Dies ist in erster Linie nicht besonders ungewöhnlich und kann unter Umständen passieren.


Der offizielle Grund: Deshalb sank die Estonia wirklich

Was damals wirklich passiert ist, weiß keine:r. Noch immer ist der Fall der Estonia nicht hundertprozentig aufgeklärt. Der offizielle Bericht aus dem Jahr 1997 spricht von einem technischen Fehler: Die Bugklappe hat versagt und ist für den Untergang verantwortlich. Dieses abgerissene Bugvisier soll zwei Wochen nach der Tragödie in den Tiefen der Ostsee gefunden worden sein.

Viele geben sich nicht mit dieser Begründung zufrieden und spekulieren noch heute, was es wohl mit der Estonia auf sich hatte. Aufgrund der bestehenden Zweifel laufen die Untersuchungen noch weiter - die staatliche Havariekommission, die schwedischen und finnischen Behörden sind immer noch auf der Suche nach der Wahrheit. Vor allem auch, weil schwedische Dokumentarfilmer einen Riss im Rumpf des Wracks entdeckten, die die bisherigen Erkenntnisse in den Schatten gestellt haben. War es doch nicht die Bugklappe?

An diesen Untersuchungen ist der Professor Hendrik Dankowski von der Fachhochschule Kiel mitbeteiligt. Durch eine Software soll der zeitliche Verlauf des Untergangs bestimmt werden können. Der Riss könnte erst nach dem Sinken entstanden sein. Eine Simulation soll Klarheit schaffen. Die Ergebnisse sollen noch im Laufe des Jahres 2025 veröffentlicht werden. Es bleibt spannend.

Die Serie "Estonia": Ein Drama um das Schiffsunglück

"Estonia" ist eine Drama-Serie des erfogreichen "Chernobyl“-Regisseurs Måns Månsson. Sie zeigt fiktionalisiert, aber doch sehr authentisch, den Untergang des Schiffes und die daurauffolgenden Ermittlungen, die bis heute noch viele Fragen aufwirft. Eine Serie, die einen Einblick hinter die Kulissen bietet und dabei emotional mit ins Geschehen nimmt.


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