"JENKE. REPORT" auf Joyn

"Das ist definitiv keine gute Medizin" - Jenke-Reportage zum deutschen Gesundheitssystem

Veröffentlicht:

von JW

Jenke von Wilmsdorff nimmt das Gesundheitswesen hierzulande unter die Lupe.

Bild: picture alliance/dpa | Frank Molter


Das deutsche Gesundheitssystem ist selbst zum Patienten geworden: Die Kosten steigen - doch die Versorgung schwächelt. In seiner neuen Reportage "JENKE.REPORT: Baustelle Deutschland" geht Jenke von Wilmsdorff den Ursachen auf den Grund.

Deutschland hatte einmal die beste medizinische Versorgung der Welt - doch das ist lange her. Heute sind Ärzt:innen überlastet, Kliniken unterfinanziert und Patient:innen chronisch genervt. Absolute Spitze sind wir heute nur noch bei den Kosten: Deutschland leistet sich den teuersten Gesundheitsapparat in Europa, dennoch ist der Service nur mittelmäßig.

Wie passt das zusammen? In "JENKE.REPORT: Baustelle Deutschland - Wer repariert unser Land?" geht Jenke von Wilmsdorff auf Spurensuche und nimmt die größten Problemfelder des Landes unter die Lupe - allen voran das deutsche Gesundheitssystem.


Ökonomie bestimmt die Medizin

Den gesetzlichen Krankenversicherungen fehlten im Jahr 2024 1,9 Milliarden Euro. Ein Defizit, das sich bereits heute durch steigende Zusatzbeiträge auf dem Lohnzettel bemerkbar macht. "Wir alle werden mit Krankheiten immer älter und es gibt gleichzeitig immer weniger Beitragszahler, die das ganze System finanzieren", sagt Hausärztin Dr. Laura Dahlhaus im Gespräch mit Jenke. Teuer und gleichzeitig ineffizient - dahinter steckt also ein systemisches Problem.

Im Selbstversuch erlebt Jenke, wie schwierig es geworden ist, einen Termin in einer Facharztpraxis zu bekommen: Als gesetzlich Versicherter muss er zehn Wochen warten - gibt er hingegen an, privat versichert zu sein, ist der erste Termin beim Orthopäden in drei Tagen frei.

"Es galt schon immer, dass eine Arztpraxis nur mit einem gewissen Anteil an Privatpatienten überhaupt überleben kann", sagt Hausärztin Dr. Dalhaus. "Nur mit reiner Kassenmedizin sind Praxen nicht kostendeckend zu betreiben."

Eine Zeit lang habe das ausgeglichen werden können, indem Ärzt:innen einfach mehr in kürzerer Zeit machten. Doch nun sei das System am Ende des Optimierungswahns angekommen. "Wir sind mittlerweile in einem System, in dem die Ökonomie die Medizin bestimmt", offenbart Dalhaus. "Und das ist definitiv keine gute Medizin."

Manche Behandlungen sind lukrativer als andere

Neben den lukrativeren Privatpatient:innen sind auch manche Behandlungen wirtschaftlich attraktiver als andere. Das hängt auch mit der sogenannten Fallpauschale zusammen: Für bestimmte Diagnosen gibt es feste Pauschalen – unabhängig davon, wie lange sie tatsächlich behandelt werden.

"Und da, wo ein Markt ist, wird manchmal vielleicht auch ein Bedarf suggeriert, der - ich will es vorsichtig formulieren - so gar nicht existiert", erläutert Dalhaus. Heißt konkret: Wenn der wirtschaftliche Druck groß ist, steigt der Anreiz, Patient:innen möglichst teuer zu behandeln, selbst wenn es konservative Alternativen zu einer OP gäbe.

Deutschland fehlen 115.000 Pflegekräfte

Neben dem Profitdruck belastet auch der Fachkräftemangel das Gesundheitssystem. Bereits heute fehlen in Deutschland 115.000 Pflegekräfte. Einer der Gründe dafür liegt im demografischen Wandel: In den nächsten 15 Jahren gehe 12,9 Millionen Menschen in Deutschland in Rente - und es gibt zu wenige junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt nachrücken.

Vor allem in ländlichen Regionen fürchten viele, dass sich die medizinische Versorgung verschlechtert, weil immer mehr Praxen und Kliniken schließen. Besonders betroffen ist die medizinische Notfallversorgung von Kindern, weil sie sich finanziell nicht rechnet.

Einen Lösungsansatz skizziert ein Pilotprojekt des ländlichen Klinikums Meißen mit der Dresdner Uniklinik. Kommen Ärzt:innen und Pfleger:innen in Meißen mit schwerkranken Kindern an ihre Grenzen, können sie nun dank des Pilotprojekts Expert:innen der Uniklinik zuschalten. Hochauflösende Kameras ermöglichen es den Kolleg:innen aus 30 Kilometern Entfernung, einen detaillierten Blick auf die Patient:innen zu werfen.

"Ich kann mich im ganzen Raum orientieren, so als wäre ich vor Ort, und kann frei über die Freisprechanlage mit dem Team vor Ort kommunizieren", erzählt Dr. Stefan Winkler, Oberarzt am Uniklinikum Dresden. Modelle wie dieses könnten die medizinische Versorgung auch in strukturschwächeren Regionen Deutschlands sichern.


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"Keiner will’s zahlen. Das ist das Problem"

Dass Telemedizin zum wesentlichen Bestandteil werden muss, glaubt auch Dr. Jens Baas, Vorstand der Techniker Krankenkasse. "Wir müssen in eine Welt reinkommen, in der die Versorgung heißt: digital, ambulant, stationär - also in genau dieser Reihenfolge."

"Alle finden es super", sagt Prof. Sebastian Brenner vom Kinder-Tele-Intensivnetzwerk Sachsen mit Blick auf die Telemedizin. "Aber keiner will’s zahlen. Das ist das Problem." Rund 500.000 Euro pro Jahr würde es kosten, um Personal, Ausstattung und Intensivbetten für die kleinen Patient:innen rund um die Uhr bereitzustellen - egal, ob Notfälle eintreten oder nicht. Doch wie das finanziert werden soll, ist ungewiss.

Die Krankenhausreform, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach im November 2024 angestoßen hat, könnte dem Dresdner Modell Vorschub leisten. Mit der Reform soll die Finanzierung von Kliniken und der medizinischen Versorgung in Deutschland generell deutlich verbessert werden.

Die Umsetzung wird aber mindestens noch bis 2029 dauern. Doch wird dann wirklich alles besser? Hausärztin Laura Dahlhaus hat eine klare Meinung dazu. Wie sie darüber denkt, wie die Anwerbung ausländischer Fachkräfte das Problem in andere Länder verlagert und was Insider über andere Großbaustellen wie die Deutschen Bahn verraten, erfährst du in der neuen Reportage "JENKE.REPORT: Baustelle Deutschland - Wer repariert unser Land?".