"War Tours"
"Galileo"-Reportage über Kriegstourismus in der Ukraine: Warum reisen Menschen ins Kriegsgebiet?
Veröffentlicht:
von Julia WolferUrlaub in zerstörten Gebieten der Ukraine: Wie gefährlich ist der Trümmer-Tourismus?
Bild: Adobe Stock | 2022 Oleksii Synelnykov/Shutterstock.
Was bizarr klingt, ist in der Ukraine Realität. In dem vom anhaltenden Krieg gebeutelten Land boomen sogenannte "War Tours". Warum begeben sich Menschen freiwillig in Gefahr? Um das herauszufinden, haben die "Galileo"-Reporter eine Tour begleitet - und müssen am Ende selbst in einem Bunker Schutz suchen.
Am 24. Februar 2022 schickte der russische Präsident Wladimir Putin Soldaten über die Grenze in die Ukraine. Seitdem tobt ein Krieg, der bereits Zehntausende Menschenleben auf beiden Seiten forderte. Fast alle Länder raten von Reisen in die Ukraine ab - und doch florieren dort derzeit sogenannte "War Tours": geführte Reisen zu den Kriegsschauplätzen.
"Galileo" heute um 19:05 Uhr auf ProSieben
Warum begeben sich Menschen freiwillig in ein Kriegsgebiet und riskieren in ihrer Freizeit ihr Leben? Um das herauszufinden, begleiten "Galileo"-Redakteur Sebastian und Kameramann Jonah Menschen auf ihrer Reise in die Ukraine.
Kriegstouristin Veronica: "Mir geht es nicht um den Nervenkitzel"
Von Warschau geht es zunächst mit dem Nachtzug nach Kiew. Fünfzehn Stunden dauert die Fahrt. Mit im Gepäck: schusssichere Westen, Helme - und ein mulmiges Gefühl. Doch die Waggons sind überraschend voll. Viele Ukrainer:innen machen sich auf den Weg nach Hause, während Tourist:innen wie die 25-jährige Amerikanerin Veronica Tomasko zwischen ihnen sitzen.
"Mir geht es nicht um den Nervenkitzel", sagt Veronica über den Grund für ihre Reise. Sie habe das Land schon vor dem Krieg besucht, viele ihrer Freund:innen seien Ukrainer:innen - und das sei ihr Antrieb. "Ich muss gehen, um ihre Gefühlslage besser zu verstehen", sagt sie.
In der Ukraine ist der Ausnahmezustand längst Alltag
Am Bahnhof in Kiew herrscht reges Treiben - ein Bild, das die "Galileo"-Reporter so nicht erwartet haben. "Ich finde es echt verrückt, wie viel hier los ist. Man möchte nicht meinen, dass hier Krieg herrscht", kommentiert "Galileo"-Reporter Sebastian.
Supermärkte, Schulen und Hotels: Alles ist geöffnet. Selbst ein Uber lässt sich vom Bahnhof zum Hotel bestellen. So bizarr es klingt: Für die Menschen in der Ukraine ist der Ausnahmezustand längst zum Alltag geworden.
Auch im Hotel sind neben dem Restaurant das Fitnessstudio und die Sauna im zweiten Stock rund um die Uhr offen. Ein ganz normales Hotel eben, nur mit Luftschutzbunker und einer speziellen Sicherheitseinweisung, was im Ernstfall zu tun ist.
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Eine Fahrt durch Trümmer und rostenden Stahl
Auf seiner "Ukraine War Tour" führen der Unternehmer Dmytro Nikiforov und sein Team die Tourist:innen am nächsten Morgen in die Kiewer Vororte Irpin und Borodjanka, die 2022 von der russischen Armee zerstört wurden. Vor Kriegsbeginn war der 34-jährige Dmytro Wirtschaftsanwalt, heute fährt er Tourist:innen durch seine zerbombte Heimat.
Verlassene Wohnungen, Häuser in Trümmern, zerstörte Autos und rostende Panzer: Das ist es, was Kriegstourist:innen auf der "Ukraine War Tour" zu sehen bekommen. Am Irpin River liegen noch die Überreste der 2022 gesprengten Brücke. Die ukrainische Armee hatte das Bauwerk damals selbst in die Luft gejagt - eine strategische Maßnahme, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die russische Armee nicht bis Kiew vorrücken konnte.
"War Tour"-Unternehmer Dmytro: "Froh, dass Touristen kommen"
Auch über Dinge wie diese klären Dmytro Nikiforov die Tourist:innen seiner "Ukraine War Tour" auf. Rund 350 Euro pro Person kostet die Tour, doch bei seinem Projekt geht es Dmytro nicht ums Geld: Die Hälfte der Einnahmen spendet er dem ukrainischen Militär.
Mit seinen Touren will er der Welt die Auswirkungen der russischen Aggression auf das Leben in seinem Heimatland zeigen. "Ich bin froh, dass Touristen kommen. Leute wie Veronica, die alles, was sie sehen, nach außen tragen", sagt Dmytro.
Plötzlich ertönt ein "Air Raid Alert"
Aber wie sicher ist es für Tourist:innen wie Veronica, an dieser "War Tour" durchs Kriegsgebiet teilzunehmen? "Wenn es um Drohnen geht, ist es ganz okay", sagt Dmytro, "aber es besteht immer die Gefahr, dass etwas passiert."
Erst wenige Tage zuvor habe es einen Raketenangriff gegeben, erzählt er. Zwei Bürogebäude wurden dabei völlig zerstört, eine Frau kam ums Leben. Katastrophen wie diese können sich jederzeit wiederholen.
Und so dauert es auch nicht lange, bis ein "Air Raid Alert", eine Luftangriffswarnung, ertönt und das "Galileo"-Team Schutz im nächstgelegenen Bunker suchen muss. Für die Besucher:innen der "War Tour" ist das der Ausnahmezustand - für die Bewohner:innen der Ukraine längst trauriger Alltag.
Wie die Kriegstouristin Veronica danach über die "War Tour" denkt und was die Ukrainer:innen von Kriegstourist:innen wie ihr halten, das erfährst du in der neuen Folge von "Galileo".
"Galileo" fährt hin: Kriegstourismus in der Ukraine
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